Einsprache gegen die missbräuchliche Kündigung – Wer trägt die Behauptungs- und Beweislast? (Urteil des Bundesgerichts vom 11. Mai 2023 [4A_412/2022])

Das Bundesgericht verweigert einer Arbeitnehmerin eine Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung, weil sie es versäumt hatte, den Beweis für die rechtzeitig erfolgte Einsprache zu erbringen.

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Prozessgeschichte

Die Arbeitnehmerin trat Anfang 2018 eine Stelle bei einem Genfer Unternehmen an. Knapp zehn Monate später kündigte sie die Stelle mit der Begründung, sie sei vom Geschäftsführer psychologisch und sexuell belästigt worden. Im Juni 2019 reichte sie Klage ein und verlangte eine Entschädigung in Höhe von CHF 37’500.– wegen missbräuchlicher Kündigung. Dies entsprach sechs Monatslöhnen. Anlässlich der Hauptverhandlung erkundigte sich das Gericht bei der Arbeitnehmerin, ob sie rechtzeitig Einsprache gegen die Kündigung erhoben habe (Art. 336b Abs. 1 OR). Das entsprechende Schreiben wurde in den Akten erwähnt, es wurde dem Gericht jedoch nicht eingereicht. Die Arbeitnehmerin bot dem Gericht an, das Schreiben nachzureichen. Aufgrund des Novenverbots war dies aber nicht mehr möglich (Art. 229 Abs. 1 ZPO). Das Arbeitsgericht des Kantons Genf wies die Klage in der Folge erstinstanzlich ab. Gegen diesen Entscheid gelangte die Arbeitnehmerin an das Kantonsgericht, welches den Entscheid des Arbeitsgerichts kassierte und das Verfahren im Übrigen zwecks Festlegung der Entschädigung an die erste Instanz zurückwies. Daraufhin sprach das Arbeitsgericht der Arbeitnehmerin eine Entschädigung in Höhe von CHF 15’000 zu. Gegen diesen Entscheid legte die Arbeitgeberin Berufung ein. Das Kantonsgericht hiess die Berufung der Arbeitgeberin teilweise gut und reduzierte die Entschädigung auf CHF 10’000. Die Arbeitgeberin erhob Beschwerde an das Bundesgericht.

Erwägungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Klage der Arbeitgeberin gleichzeitig ab. Es führt aus, dass die in Art. 336b Abs. 1 OR enthaltene Frist eine Verwirkungsfrist sei. Ein Anspruch auf Entschädigung bestehe nur, wenn innerhalb der Frist Einsprache erhoben und keine Einigung über die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses gefunden werde. Hinsichtlich der Behauptungs- und Beweislast seien nicht alle Verwirkungsfristen gleich zu handhaben. Der Gesetzgeber sei sich bei Art. 336b Abs. 1 OR aber bewusst gewesen, dass diese Regelung für die mit solchen Fristen nicht vertrauten Rechtssuchenden Nachteile bergen könne. Er habe die Rechtssicherheit aber höher gewichtet. Die Einhaltung der Frist nach Art. 336b Abs. 1 OR sei daher eine Anspruchsgrundlage, für welche die klagende Partei die Behauptungs- und Beweislast trage. Unter diesen Umständen sei es nicht an der beklagten Partei, die Verwirkung geltend zu machen; vielmehr habe die klagende Partei zu behaupten und zu beweisen, dass die Anspruchsgrundlage – also die Nichtverwirkung des Anspruchs – erfüllt sei. Im Übrigen müsse der Richter auch prüfen können, ob die Einsprache unter formellen und materiellen Gesichtspunkten gültig resp. genügend sei.

Urteil des Bundesgerichts vom 11. Mai 2023 (4A_412/2022)

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