Im Entscheid vom 13. August 2025 (5A_347/2024) hatte das Bundesgericht einen Fall zu beurteilen, in dem zwei Enkel des Erblassers die Herabsetzung von Zuwendungen an die zweite Ehefrau sowie an eine Trustgesellschaft geltend machten. Während das Gericht die Herabsetzungsklage gegenüber der Ehefrau wegen Fristversäumnis als verwirkt betrachtete, sah es die Frist gegenüber dem Trustee einer Trustgesellschaft als eingehalten an. Dementsprechend wurde der Entscheid des Obergerichts Bern teilweise aufgehoben.
Mit diesem Entscheid hat das Bundesgericht die Frage beantwortet, ob die Verwirkungsfrist nach Art. 533 Abs. 1 ZGB nur zu einem einheitlichen Zeitpunkt zu laufen beginnt oder ob ein individueller Fristenlauf besteht, wenn lebzeitige Zuwendungen an mehrere Personen der Herabsetzung unterliegen. In der Lehre ist diese Frage umstritten. Die Vorinstanz war von einer einheitlichen Frist ausgegangen. Das Bundesgericht hat sich nun für eine individuelle Betrachtung des Fristenbeginns ausgesprochen.
Es hielt in seiner Begründung fest, dass der Gesetzestext unklar sei und auch der historische Gesetzgeber sich nicht mit dieser Frage befasst habe. Mit Blick auf den Sinn und Zweck der Bestimmung führte es jedoch aus, dass die Herabsetzungsklage dem Schutz der Erben vor pflichtteilsverletzenden Verfügungen diene. Aufgrund der daraus resultierenden Rechtsunsicherheit habe der Gesetzgeber eine kurze einjährige (relative) Verwirkungsfrist eingeführt. Die Bestimmung könne ihre Schutzfunktion aber nur erfüllen, wenn die Frist erst dann zu laufen beginne, wenn die Erben die für die Klage wesentlichen Elemente kennen. Zu diesen wesentlichen Elementen gehöre auch die Identität der Zuwendungsempfängerin oder des Zuwendungsempfängers. Prozessuale Instrumente wie die Klageänderung (Art. 227 ZPO), das Novenrecht (Art. 229 ZPO) oder die Stufenklage (Art. 85 ZPO) würden daran nichts ändern. Da die Beschwerdeführer die Identität des Trustees erst zu einem späteren Zeitpunkt erfahren hatten, war die Frist für die Herabsetzungsklage gegenüber diesem gewahrt. Damit ist auch die bislang ungeklärte Frage entschieden, ob es unterschiedliche Fristenläufe mit individuellem Fristenbeginn geben kann.
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